Rede zu: Vorschulklassen an Grundschulen als optionales Angebot wieder einführen (Vorschulgesetz Berlin)

Erste Lesung des Gesetzesantrags

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Die AfD fordert mit der Drucksache 19/2774 die Wiedereinführung der Vorschulklassen an Grundschulen als optionales Angebot. Sie spricht von Wahlfreiheit, von Defiziten in Kitas, von angeblich vernachlässigter Schulvorbereitung. Ich sage Ihnen klar: Dieser Antrag klingt auf den ersten Blick harmlos, ist aber auf den zweiten Blick schlicht nicht zielführend.

Warum gibt es die Vorschule in der alten Form nicht mehr? – Ja, es gab sie früher, die Vorschulklassen an Grundschulen: freiwillig, nur vormittags, nicht flächendeckend. Tatsache ist aber auch: Nur ein kleiner Teil der Kinder hat dieses Angebot überhaupt genutzt. Deshalb hat Berlin reagiert und die Schulanfangsphase eingeführt, mit dem klaren Ziel, alle Kinder zu erreichen und nicht nur wenige.

Die Vorschularbeit wurde damals ganz bewusst in die Kindertagesstätten verlagert, wo sie heute pädagogisch fundiert, ganztägig und sozial integriert stattfindet. Das war eine bildungspolitisch nachvollziehbare Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt, denn eine qualifizierte vorschulische Förderung jedes Kindes ist unverzichtbar – in der altersgemischten Gruppe sowie in einer jahrgangsgleichen Vorschulgruppe. Wie ist die Realität heute? – Vorschule in Berlin findet längst statt, und zwar wirksam. Seit dem 1. August 2018 ist der Kitabesuch beitragsfrei. Bereits seit 2007 gilt dies für Kinder im letzten Jahr vor der Einschulung. 96 Prozent aller Kinder nehmen dieses Angebot freiwillig wahr. Jedes Kind durchläuft vor der Einschulung eine verpflichtende Sprachstandsfeststellung nach § 55 Schulgesetz. Kinder mit Förderbedarf, der Kollege Simon hat es vorhin gesagt, erhalten seit August 2024 sogar sieben Stunden tägliche Sprachförderung – eingebettet in das Kita-Chancenjahr und ergänzt durch den mittlerweile automatisiert zugesandten Willkommensgutschein ab dem dritten Lebensjahr. Das wird jetzt gerade auf den Weg gebracht. Das ist gezielte Förderung und nicht Symbolpolitik!

Was der Antrag verschweigt: Die AfD behauptet, altersgemischte Gruppen würden Vorschularbeit verhindern. Das ist schlichtweg so in der Form dezidiert nicht belegt. Ja, Kinder kommen teilweise ohne Deutschkenntnisse in die Kita. Vor einigen Jahren wechselten sie einfach in die 1. Klasse, heute erhalten sie eine verbindliche Sprachstandsdiagnostik mit gezielter Förderung im KitaChancenjahr und eine verstärkte Begleitung in der Schulanfangsphase. Diese Maßnahmen unterstützen späteren Schulerfolg, nicht ausschließlich die Vorschulklasse, wie die AfD es in ihrem Antrag fordert. Der AfD-Antrag ist auch rechtlich handwerklich mangelhaft. Was die AfD hier ändern will, betrifft die §§ 20, 42 und 55 des Schulgesetzes und hätte zahlreiche Folgeänderungen beziehungsweise Anpassungen zur Konsequenz, die in diesem Antrag, liebe AfD, nicht aufgeführt sind. Es ist somit zu Recht festzustellen: Dieser Antrag ist rechtlich nicht durchdacht, organisatorisch nicht abgesichert und strukturell nicht notwendig. Neue Vorschulklassen bedeuten zudem zusätzlichen Raumbedarf, den wir nicht haben, zusätzlichen Lehrkräftemangel, den sicherlich niemand will, und zusätzliche Doppelstrukturen, die einfach keinen Sinn machen.

Zur, in Anführungszeichen, Instrumentalisierung in Ihrem Antrag von Kai Wegner: Die AfD zitiert ältere Aussagen des heute Regierenden Bürgermeisters. Ich sage klar dazu: Opposition, wie die AfD-Fraktion, formuliert Forderungen. Regierung trägt allerdings Verantwortung, und die Koalitionsverantwortung heißt: Nicht neue Parallelstrukturen schaffen, sondern bestehende Systeme qualitativ stärken. Genau das tun wir mit dem Kita-Chancenjahr, mit gezielter Sprachförderung und mit unterstützenden Maßnahmen in der Schulanfangsphase.

Als Fazit möchte ich hier festhalten: Dieser Antrag löst kein reales Problem, erzeugt neue rechtliche Unsicherheiten und verschärft den Fachkräftemangel. Zum Schluss möchte ich sagen: Bildung braucht keine neuen Vorschulbürokratien. Berlin braucht starke Kitas, starke Schulen, starke Übergänge, und deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

Vielen Dank!