Der Anteil der über 80jährigen wird sich in der Berliner Bevölkerung bis zum Jahre 2030 voraussichtlich verdoppeln. Das fordert schon jetzt heraus, Versorgungskonzepte in der Gesundheitspolitik zu überdenken. Denn Strukturänderungen müssen längerfristig vorbereitet werden, sie sind nicht von heute auf morgen möglich.
Die Ärztekammer Berlin hat dazu ihr „Geriatriekonzept Berlin 2010“ vorgestellt. Die großen Berliner Gesundheitskörperschaften, als da sind die Psychologen- und die Apothekerkammer, die Vertretungen der niedergelassenen Kassenärzte und Kassenzahnärzte, die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und die Berliner Krankenhausgesellschaft haben ihre Positionen beigesteuert.
Einigkeit besteht darin, dass eine stärkere Spezialisierung auf die Altersmedizin, die Geriatrie, sowie eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Versorgungsangebote erfolgen muss. Als Auftakt hat die Ärztekammer Berlin daher bundesweit als eine der ersten Kammern den „Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie“ eingeführt. In der „Arztsuche“, dem gemeinsamen Internetauftritt von Ärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung, findet sich bisher noch kein geriatrischer Facharzt, es befinden sich aber Ärzte und Ärztinnen in der Ausbildung. Folgerichtig werden gefordert mehr geriatrische Universitätslehrstühle, die dann später zur Gründung von geriatrischen Schwerpunktpraxen und vermehrt geriatrischen Klinikbetten führen sollen.
Es geht dabei darum, die alten Menschen durch vernetzte medizinische, psychologische und pflegerische Unterstützung so lange wie möglich am aktiven Leben in der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Der letzte Lebensabschnitt soll möglichst hinausgeschoben und verkürzt werden und in eine würdevolle, zugewendete, pflegerische Betreuung münden, die möglichst im gewohnten Umfeld stattfindet. Die Krankenkassen haben dazu jüngst mit den niedergelassenen Ärzten und Pflegediensten einen Palliativ-Rahmenvertrag abgeschlossen.
Die Forderung lebensbejahenden Eingebundenseins von alten Menschen in die aktive Gesellschaft stützt sich auf Erfahrungen beispielsweise mit Schlaganfallpatienten: Die Erholung geht umso rascher, je mehr nicht nur versorgt und gepflegt wird, sondern je eher und mehr die aktive Mobilisierung des Patienten beginnt durch Krankengymnastik, Sprechübungen; Allgemein Training der beeinträchtigten Fähigkeiten. So soll dann der geriatrisch weitergebildete Hausarzt nicht nur vorrangig Medikamente wie z.B. gegen Altersdiabetes verschreiben, sondern zur Ernährungsumstellung ermuntern und den im Einzelfall angemessenen Seniorensport verordnen; deren Beispiele gibt es etliche.
Auch die Zahnärzte, Apotheker, Psychologen sehen Notwendigkeiten, den alternden Menschen in den Focus zu nehmen. Die Zahnärzte möchten die den alten und behinderten Patienten aufsuchende zahnärztliche Versorgung in ihrer Gebührenordnung abgebildet sehen (zahnärztlicher Haus- und Heimbesuch), die Psychologen befassen sich mit Altersdepressionen und fordern eine Fortbildung der Hausärzte. Diese sollen solche Krankheitsprozesse erkennen können, damit nicht nur körperlich, sondern ganzheitlich und psycho-sozial therapiert werden kann. Die Apotheker arbeiten an einem Projekt „Apotheke und Senioren“, mit dem in Senioreneinrichtungen Vorträge angeboten werden sollen. Viele weitere Vorschläge liegen auf dem Tisch.
Die oben dargestellten Initiativen, die bei den Akteuren in Gesundheitswesen erkennbar werden, entsprechen unserer christlich-demokratischen Auffassung von Bürgerengagement und werden sehr begrüßt. Die Gesundheitspolitik muss diese Bemühungen unterstützen. Ein erster Schritt dazu ist die von der CDU geführten Bundesregierung in Angriff genommene Bedarfsplanung der zukünftigen medizinischen Versorgung: Diese soll kleinräumiger werden und die Menschen vor Ort in ihrer Alters- und Bedürfnisstruktur zum Maßstab nehmen. Statt wie bisher nur Planzahlen aus dem Jahre 1990 lediglich fortzuschreiben, kiezbezogene ärztliche Versorgung!